3.1.a Durch Prävention und Behandlung vermeidbare Sterblichkeit
Inhalt und Methodik
Der Indikator „Durch Prävention und Behandlung vermeidbare Sterblichkeit“ soll Rückschlüsse auf die Qualität des Gesundheitssystems, insbesondere auf die Effizienz von Präventionsprogrammen und frühzeitigen diagnostischen Maßnahmen ermöglichen.
Durch Behandlung vermeidbare Todesfälle sind solche, die durch rechtzeitige und wirksame medizinische Maßnahmen hätten vermieden werden können. Dies umfasst sowohl Sekundärprävention als auch therapeutische Behandlungen nach dem Auftreten von Krankheiten oder Verletzungen, die die Sterblichkeit (sogenannte Letalität) verringern.
Die durch Prävention vermeidbare Sterblichkeit betrifft vorwiegend Todesfälle, die durch wirksame Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit und der Primärprävention hätten vermieden werden können. Hierbei handelt es sich um Maßnahmen, die vor dem Auftreten von Krankheiten oder Verletzungen ergriffen werden, um die Zahl neuer Erkrankungsfälle (sogenannte Inzidenz) zu reduzieren.
Die Identifizierung und Minderung der zugrunde liegenden Risikofaktoren wie ungesunde Ernährung (siehe „Adipositasquoten“ Indikatoren 3.1.e und 3.1.f), Tabakkonsum (siehe „Raucherquoten“ Indikatoren 3.1.c und 3.1.d), Alkoholkonsum und Bewegungsmangel ist entscheidend, um die Zahl vermeidbarer Todesfälle zu reduzieren und die allgemeine Gesundheitslage der Bevölkerung zu verbessern.
Die genauen Todesursachen, die gemäß diesen Definitionen als vermeidbar gelten, wurden 2018 von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sowie dem Statistisches Amt der Europäischen Union (Eurostat) in Zusammenarbeit mit einer Expertengruppe festgelegt und 2019 überarbeitet. Dazu gehören eine Reihe von Infektionskrankheiten (darunter auch COVID-19), verschiedene Arten bösartiger Neubildungen, endokrine und Stoffwechselerkrankungen sowie bestimmte Erkrankungen des Nervensystems, des Kreislaufsystems, der Atemwege, des Verdauungssystems und des Urogenitalsystems sowie Erkrankungen im Zusammenhang mit Schwangerschaft, Geburt und der perinatalen Periode, eine Reihe von angeborenen Missbildungen, Nebenwirkungen medizinischer und chirurgischer Behandlungen, Verletzungen sowie alkohol- und drogenbedingte Störungen.
Einige Todesfälle, wie beispielsweise bei ischämischen Herzerkrankungen, sind sowohl durch Prävention als auch durch Behandlung vermeidbar. Zur Vermeidung von Doppelzählungen werden diese Todesfälle der Kategorie „durch Prävention vermeidbare Sterblichkeit“ zugeordnet, da eine erfolgreiche Prävention die Behandlung überflüssig machen würde.
Der Indikator berücksichtigt ausschließlich Todesfälle von Personen unter 75 Jahren. Um die Vergleichbarkeit zu gewährleisten, bezieht sich der Indikator auf die europäische Standardbevölkerung dieser Altersklasse. Dies dient dazu, Verzerrungen der Ergebnisse durch unterschiedliche Altersstrukturen zwischen Ländern oder durch demographische Veränderungen im Zeitverlauf zu vermeiden. Die Datengrundlage für die Berechnung des Indikators ist die Todesursachenstatistik des Statistischen Bundesamtes, in der alle amtlichen Todesbescheinigungen systematisch erfasst und ausgewertet werden.
Entwicklung
Die vermeidbare Gesamtmortalität ist seit 2011 tendenziell rückläufig. Zwischen 2011 und 2019 sank die durch Prävention und Behandlung vermeidbare Sterblichkeit von 258 Todesfällen je 100 000 Einwohnerinnen und Einwohner auf 231 im Jahr 2019 (–10,4 %). In den folgenden Jahren stieg der Indikator aufgrund der COVID-19-Pandemie an und erreichte 2021 wieder den Wert von 2012. Dies spiegelt sich auch in der Verteilung der einzelnen Todesursachen wider. Auf europäischer Ebene waren COVID-19-Infektionen die häufigste Ursache für vermeidbare Todesfälle, gefolgt von ischämischen Herzkrankheiten und Lungenkrebs.
Bei der getrennten Betrachtung der durch Prävention und der durch Behandlung vermeidbaren Sterblichkeit zeigt sich, dass etwa zwei Drittel der vermeidbaren Todesfälle durch präventive Maßnahmen und ein Drittel durch medizinische Maßnahmen hätten vermieden werden können. Diese Verteilung ist jedoch zum Teil auch auf die zuvor beschriebene Zuordnung bestimmter Todesursachen zurückzuführen, die sowohl durch präventive Maßnahmen vermeidbar als auch behandelbar gewesen wären.
Die geschlechtsspezifische Analyse des Indikators zeigte einen deutlichen Unterschied zwischen Männern und Frauen. Bei Männern lag die vermeidbare Sterblichkeit bei 336 Todesfällen je 100 000 Einwohner, während sie bei Frauen mit 174 vermeidbaren Todesfällen je 100 000 Einwohnerinnen etwa halb so hoch war. Der Unterschied resultierte überwiegend aus den präventiv vermeidbaren Todesursachen, was darauf hindeutet, dass Männer weniger Vorsorge betreiben und von Präventionsprogrammen schlechter erreicht werden als Frauen. Bei den durch Behandlung vermeidbaren Todesfällen war der Unterschied weniger ausgeprägt.
Das politisch festgelegte Ziel, die durch Prävention und Behandlung vermeidbare Sterblichkeit bis 2030 auf höchstens 200 Todesfälle je 100 000 Einwohnerinnen und Einwohner zu senken, wäre bei Fortsetzung der Entwicklung vor der COVID-19-Pandemie erreichbar gewesen. Der pandemiebedingte Anstieg hat jedoch die generell positive Entwicklung des Indikators beeinträchtigt.
Im europäischen Vergleich lag Deutschland mit einer vermeidbaren Sterblichkeit von 253 Todesfällen je 100 000 Einwohnerinnen und Einwohner im Jahr 2021 im Mittelfeld und deutlich unter dem EU-Durchschnitt von 294 Todesfällen. Die niedrigsten Raten fanden sich in Spanien (195 Todesfälle je 100 000 Einwohnerinnen und Einwohner) und Schweden (177 Todesfälle je 100 000 Einwohnerinnen und Einwohner). In vielen osteuropäischen Ländern wie Bulgarien (685 Todesfälle je 100 000 Einwohnerinnen und Einwohner) und Rumänien (695 Todesfälle je 100 000 Einwohnerinnen und Einwohner) waren die Raten deutlich höher.